2002 bis heute: Chorleiter des Posaunenchors
Dr. Konrad Elsäßer | † Walter Reichenecker | † Martin Mayer | † Theophil Beck |
seit 1997 | 1955 bis 1997 | 1952 bis 1954 | 1954 bis 1955 |
1997 bis 2002: Wechsel der Chorleitung
Am 16. März 1997 vermeldete die Chorchronik die vielleicht gravierendste Veränderung in der Geschichte des Chores: Der Wechsel der musikalischen Chorleitung nach 42-jährigem Dienst von Walter Reichenecker an das Chormitglied Konrad Elsässer.
Gravierend war diese Veränderung im wahrsten Sinne des Wortes, hat doch Walter Reichenecker „seinen“ Chor geprägt, seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt, ihn zu dem gemacht, was er bis heute geblieben ist: ein Chor mit breitgefächertem Repertoire und ebenso vielfältigem Engagement.
Der Wechsel in der Chorleitung äußerte sich dann auch eher nach dem Motto „Evolution statt Revolution“. Jahresablauf, Einsatzspektrum und Aufgabenteilung blieben im Wesentlichen unverändert.
Im Jahr 1998 übernahm Konrad Elsässer zur musikalischen Chorleitung auch die organisatorische Verantwortung. Im selben Jahr hat der Chor auch eine neue Chorordnung verabschiedet, die Inhalte und Organisationsstruktur des Posaunenchores manifestiert.
Im Jubiläumsjahr 2002 zählt der Chor 39 Bläser im Alter con 14 bis 68 Jahre sowie 9 Jungbläser im Alter von 9 bis 15 Jahren.
1955 bis 1997: Chorleiter Walter Reichenecker
Im Jahre 1955 übernahm Walter Reichenecker dann neben der organisatorischen Verantwortung auch die musikalische Leitung des noch sehr jungen Posaunenchores. Was er damals noch nicht wissen konnte: Er sollte dieses Amt 42 Jahre lang, bis März 1997 innehaben.
In dieser langen Zeit entwickelte sich der Chor zu einem festen Bestandteil der evangelischen Kirchengemeinde Bad Urach. Durch kontinuierliche Nachwuchsarbeit wuchs der Chor von ursprünglich 12 Bläsern auf ca. 40 Bläser im Jahre 1997 an.
1966 begann im Übrigen die erste Bläserin das Trompetenspiel im Posaunenchor. Der Anteil der weiblichen Bläserinnen stieg dann in den achtziger Jahren auf ca. ein Viertel, was in etwa auch dem aktuellen Stand auf Landesebene entspricht.
Der Jahresplan, wie er im Wesentlichen auch heute noch Bestand hat, entstand in seiner Grundform in den sechziger Jahren. Er beinhaltet eine Lange Liste von musikalischen Aktivitäten:
- Sonntägliches Turmblasen
- Mitwirkung bei Gottesdiensten (inzwischen sowohl im Freien als auch im geschlossenen Kirchenraum)
- Blasen im Krankenhaus und Altenheim
- Freiluftkonzerte (in den sechziger Jahren im Grünen Herz, seit 1981 im Stiftshof)
- Blasen bei Beerdigungen
- Advents- und Weihnachtsliederblasen am ersten und vierten Advent auf dem Marktplatz
- Teilnahme am alle zwei Jahre stattfindenden Landesposaunentag in Ulm
Besondere Höhepunkte alle zwei Jahre sind die Schäferlauf-Gottesdienste sowie die jährliche Stefansmusik im Gottesdienst am zweiten Weihnachtsfeiertag.
Parallel zu den musikalischen Aktivitäten wurde großen Wert auf Förderung der Gemeinschaft und Integration der Bläserfamilien gelegt. Neben dem traditionellen Familienabend Ende Februar, dem so genannten Rettichfest, und den sommerlichen Grillfesten werden seit den sechziger Jahren Familienfreizeiten durchgeführt, zunächst auf der schwäbischen Alb, seit den achtziger Jahren dann im Kleinwalsertal in den Alpen.
Mit zunehmender Chorgröße gewann dann auch das Thema „Finanzierung“ an Bedeutung. So wurde in den siebziger Jahren damit begonnen, durch regelmäßige Altpapiersammlungen die Chorkasse aufzubessern.
Neben den vielen Einsätzen sind natürlich die Probenabende der zentrale Bestandteil der Posaunenchoraktivitäten. Diese finden seit Chorgründung freitagabends statt, zu Beginn im Christophsaal und dann im alten Gemeindehaus, der heutigen Ratstube. 1961 wurde der Probenraum ins neu erbaute Gemeindehaus am grünen Herz verlegt.
1973 wurde Walter Schrade zum stellvertretenden Chorleiter ernannt und hat dieses Amt über all die Jahre bis heute in großer Treue ausgefüllt.
1953 und 1954: Die ersten zwei Jahre
Ein Bericht von Martin Mayer zum 50 jährigen Jubiläum
Als ich Ende April 1952 als Seminarist nach Urach kam, hatten die Uracher Jungbläser gerade erst zwei Monate vorher ihre Instrumente erhalten. So hieß es üben, üben und nochmals üben. Wann wir das erste Mal würden auftreten können, schien überhaupt noch nicht absehbar. Bis eine ganze Gruppe von Anfängern soweit kommt, dass es für die Zuhörer nicht zum Davonlaufen ist, das dauert natürlich länger, als wenn einzelne Nachwuchsbläser nach kurzer Schulungszeit in einen bestehenden Posaunenchor hineinwachsen können.
Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und wurden rasch Freunde. Daß wir miteinander etwas Sinnvolles tun wollten, hat uns miteinander verbunden. Wir waren fast alle ungefähr im gleichen Alter. Andererseits ist es und gut bekommen, dass uns einige Erwachsene auf diesem Wegstück begleitet haben. Natürlich war das Blasen im Posaunenchor Männersache. Frauen und Mädchen haben sich erst viel später in den Posaunenchören – und auch sonst als Blechbläserinnen – Achtung verschafft. Heute sind die nicht mehr wegzudenken. Aber der damalige Landesposaunenwart Hermann Mühleisen hat befürchtet, seinen Bläsern könnte es knieweich werden, wenn Mädchen neben ihnen spielen. Und dabei blieb es noch jahrelang.
Neben der musikalischen Schulung wurde von Anfang an auch die innere Einstellung zum Thema gemacht. Die Besinnung auf die Wurzeln des christlichen Glaubens und auf den Sendungsauftrag der Kirche sollte die jungen Posaunenbläser für ihr öffentliches Auftreten motivieren.
Denn Posaunenbläser können ja nicht heimlich Christ sein. Unser Chorleiter in meiner Heimatgemeinde hat uns immer eingebläut: „Ein Bläser ist immer im Dienst“, so dass es uns manchmal fast zuviel wurde. Dabei hat uns ja das Blasen auch Spaß gemacht. Und die Gemeinschaft von Gleichgesinnten hat uns auch in Urach durch die Jugendzeit getragen. Ich habe es damals sicher auch so weitergegeben: Posaunenblasen ist ein Dienst fürs Reich Gottes.
Auch wenn man sich heute vielleicht anders ausdrückt als vor 50 Jahren: Ein Posaunenchor mach es sich bis heute zur Aufgabe, das Lob Gottes, aber auch Klage und Bitte, zu Gehör zu bringen. Und das ist und bleibt ein Dienst an den Menschen. Sie sollen zum Gottvertrauen und zum Leben mit Jesus Christus und in seiner Gemeinde animiert werden.
Die Betonung des Dienstcharakters hat in den Posaunenchören der damaligen Zeit dazu geführt, dass man die musikalische Qualität nicht so wichtig nahm. Auch das sieht man heute anders. In einer Zeit, da man Musik in Perfektion ins Wohnzimmer holen kann, darf das Blasen zur Ehre Gottes auch nicht einfach minderwertig sein, als ob nur die edle Absicht zählen würde.
Auch wenn wir mit dem jungen Uracher Posaunenchor bei weitem nicht die Leistungsfähigkeit mancher heutiger Posaunenchöre erreichen konnten, mussten wir doch von Anfang an auf ein gewisses Niveau aus sein. Das hat mir auch Pfarrer Johannes Maisch so zu verstehen gegeben.
Amanduskirche oder in die Uracher Straßen. Wir wollten uns noch nicht zeigen, sondern versuchten, uns aus gehöriger Distanz zu Gehör zu bringen. Doch dem „Ermstalboten“ war dies eine Notiz wert: „Am Sonntagmorgen wurden die Uracher durch ein Repertoire von Posaunenchorälen überrascht, die vom oberen Tiergartenberg über die Stadt schallten und das sonntägliche Bild mit Klang und Andacht füllten.“ Es war das erste (unangekündigte) Auftreten des Posaunenchors.
Bei dieser Gelegenheit erhielten wir auch unsere erste Geldspende. Ein Uracher Geschäftsmann, der dort oben spazieren ging und uns aus der Nähe zuhörte, schenkte uns fünf Mark. Und das war viel in einer Zeit, da ein junger Bläser nach Abschluss der Lehre einen Stundenlohn von 86 Pfennigen erhielt. Ein Sparbuch brauchte der Posaunenchor erst ein Jahr nach seiner Gründung.
Gegen Jahresende 1952, nach einer Adventsfeier in der Amanduskirche mit den Posaunenchören aus Metzingen und Hülben, zu der die Uracher Bläser sicher nur zu einem kleinen Teil beitragen konnten, empfahl die Zeitung „die Mitwirkung bei Feldgottesdiensten und Gemeindetreffen, das Blasen vom Turm, auf öffentlichen Plätzen oder von einer nahen Anhöhe“ und wollte „im geschlossenen Kirchenraum der Orgel, dem Streichorchester und der Vokalmusik den Vorzug geben“.
Ein Jahr später, nach der Adventsmusik, die wir im wesentlichen bereits selber bestreiten konnten, wenn auch noch mit Hülbener Unterstützung, hieß es dann freilich an der entsprechenden Stelle des Zeitungsberichtes: „Sympathisch war die dynamische Anpassung an den geschlossenen Raum und an die zartere Stimmung in den ersten beiden Programmteilen; Pianospiel ist bei Blechinstrumenten immer eine besonders heikle Angelegenheit.“
Nach und nach wurde das Blasen „nach der Kirch vor der Kirch“ beliebt. Weil wir die Mitwirkung im Gottesdienst noch nicht wagen konnten, stellten wir uns einfach danach vor die Kirche und spielten recht und schlecht vor den kritischen Ohren der nach Hause strebenden Gottesdienstbesucher.
Ein wichtiger Tag für den Uracher Posaunenchor der 1. Januar 1953. Er sollte nämlich von diesem Tag an das sonntägliche Turmblasen übernehmen, das bis dahin von Mitgliedern der Stadtkapelle bestritten wurde.
Konnten wir es riskieren, jeden Sonntag vom Turm der Amanduskirche einen Choral zu spielen?
Einer der Bläser erklärte: „Da mich dann nicht mit.“ Er hat aber dann doch mitgemacht und es gab keine Katastrophe. So ist das Turmblasen neben der wöchentlichen Probe der regelmäßigste unter allen Terminen. Und das wohl inzwischen zweieinhalbtausendmal.
Dann haben wir uns, unserem Selbstverständnis entsprechend, das Blasen „auf öffentlichen Plätzen“ mehr und mehr zur Aufgabe gemacht. In der Adventszeit 1953 sind wir zum ersten Mal zum Kurrendeblasen durch die Stadt gezogen. Die Chronik nennt in diesem zweiten Jahr des Bestehens eine Fülle von Terminen, darunter auch immer wieder Blasen im Krankenhaus und in den Heimen der Gustav-Werner-Stiftung und auf dem Friedhof, aber doch auch im Gottesdienst.
Schon früh kam der Posaunenchor in Verlegenheit, dass einzelne Mitglieder durch Wegzug oder aus anderen beruflichen und persönlichen Gründen wieder ausgeschieden sind. So mussten bereits im Sommer 1952 wieder zwei neue Sopranbläser nachgezogen werden. Im Sommer 1953 kam erneut eine Gruppe von Anfängern dazu. Von den ersten zwölf Bläsern waren nach zwei Jahren schon sechs nicht mehr dabei und dafür neun neue hinzugekommen, die aber den Anschluss ganz rasch schafften.
Als ich nach Abschluss meiner Seminarzeit Urach wieder verlassen sollte, gab’s ein bewegendes Abschiedsfest. Aber der Chor stand wieder vor der Frage: Wer sollte die Leitung übernehmen?
Walter Reichenecker brachte, zu diesem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre alt, die Einstellung mit, die man sich für einen Posaunenchorleiter wünscht. Und sein Wort galt bei den anderen etwas. Nur sollte er nach meiner Einschätzung musikalisch noch sicherer werden, bevor er die musikalische Verantwortung für den Chor übernehmen könnte. So übernahm er bei meinem Weggang 1954 die Organisationsaufgaben und Theophil Beck für eine Übergangszeit die Aufgabe des Dirigenten.
Doch war im Grunde damals klar, dass Walter Reichenecker über kurz oder lang die für die Leitungsverantwortung geeignete Persönlichkeit sein würde. Und er ist bereits nach eineinhalb Jahren in die Rolle hineingewachsen, die er dann Jahrzehnte lang mit Leben gefüllt hat.
1952: Wie alles anfing
Im Herbst 1951 wurde auf Anregung von Stadtpfarrer Maisch im Kirchengemeinderat über die Gründung eines Posaunenchors gesprochen.
Seit Anfang der 50er Jahre trafen sich junge Leute im Jungmännerkreis bei Pfarrer Maisch in seiner Wohnung im Schloss (Goldener- und Palmensaal waren zu dieser Zeit Wohnbereich des Dekans und des Stadtpfarrers). Aus diesem Kreis kamen die meisten der Gründungsmitglieder. Dank einer Spende von Fabrikant und Kirchengemeinderat Eugen Munz war es möglich, 12 Instrumente im Wert von über 2000,- DM anzuschaffen. Als Verantwortlicher wurde Karl Reichenecker gewonnen.
Im Januar 1952 setzten sich die interessierten Anfänger mit Bezirksposaunenwart Franz Buck aus Hülben zusammen, der die jungen Männer zunächst mit den theoretischen Dingen (Noten lernen, Blastechnik usw.) vertraut machte. Am 25. Februar war dann der große Tag, an dem Landesposaunenwart Hermann Mühleisen im alten Gemeindehaus (heutige Ratstube) den 12 Anfängern ihr Instrument übergab.
- 4 Trompeten (Wert: 125,- DM) erhielten Ulrich Besch, Peter Seidle, Ulrich Dorau und Heinz Kuhn.
- 3 Flügelhörner (Wert: 130,- DM) bekamen Hermann Früh, Fritz Altdörfer und Theophil Beck.
- Michael Kirn, Willi Kownatzki und Karl Reicheneckers Sohn Walter durften Tenorhörner (Wert: 300,- DM) in Empfang nehmen.
- Die beiden Zugposaunen (Wert: 160,- DM) wurden an Max Dorau und Helmut Schwenkel überreicht.
Max Dorau war der Senior, Vater von Ulrich. Er kam als Kriegsversehrter ins Lazarett „Haus auf der Alb“ nach Urach. In seiner westpreußischen Heimat (heute Polen) hatte er bereits auf einem Helikon im dortigen Posaunenchor geblasen.
Mit großem Eifer machten die 12 jungen Männer in den folgenden Wochen die ersten Blasversuche. Unter der sachkundigen Anleitung von Frank Buck, der jeden Freitag zur Übungsstunde in den Christophsaal kam, ging es zügig voran. Einige trafen sich zusätzlich mittwochs in der Sattlerwerkstatt von Helmut Schwenkels Vater Max zum üben, später wurde auch donnerstags die Übungsstunde des Hülbeners Posaunenchores besucht.
Keiner der Bläser hatte ein Fahrzeug, so fuhren sie mit dem letzten Bus nach Hülben, der Heimweg nach Urach wurde gegen 22 Uhr zu Fuß gemacht, Instrument und Noten unter dem Arm.
Im April 1952 bekam der junge Chor durch 4 Seminaristen aus der neuen Promotion ersten Zuwachs. Da sie teilweise schon einige Jahre in anderen Posaunenchören mitgespielt haben, lag es nahe, einem von Ihnen die Chorleitung zu übergeben. Bezirksposaunenwart Franz Buck konnte dadurch entlastet werden, er hatte damals noch weitere 11 Posaunenchöre im Bezirk zu betreuen.
Im Herbst 1952 wurde für 720,- DM die erste Tuba erworben, die von Hans Wiederhöft geblasen wurde.
Martin Mayer aus Cannstatt fand sich bereit, die Leitung des Chores auf die Dauer seiner Seminarzeit zu übernehmen. Wie es weiterging, kann Martin Mayer’s anschließendem Bericht nachgelesen werden.